Zu blöd für den Anwalt

Das Bundesgericht ging in seinem Urteil vom 22. Februar 2024 (2D_6/2023) von Folgendem aus:

A. A.________ trat im April 2021 zum ersten Mal zu den Anwaltsprüfungen im Kanton Luzern an. Dabei bestand er zwei schriftliche Prüfungen in den Fächern Privatrecht/ZPO/SchKG und Strafrecht/Strafprozess nicht. Der schriftliche Teil der Prüfung war damit nicht bestanden, weshalb er diese zu wiederholen hatte (§ 21 der Verordnung über das Anwaltspraktikum und die für die Ausübung des Anwaltsberufes erforderlichen Prüfungen des Kantons Luzerns [APV/LU; SRL Nr. 282]). Ende August/Anfangs September 2021 bestand A.________ die schriftliche Anwaltsprüfung in den Fächern Privatrecht/ZPO/SchKG und Staatsrecht/Verwaltungsrecht. Die Prüfung im Fach Strafrecht/Strafprozess bestand er nicht, weshalb diese wiederholt werden musste. Mehr über „Zu blöd für den Anwalt“ Lesen

Das Versagen des Rechtsstaats im Kindesrecht

Das Bundesgericht entschied in einem Fall, wie bei uneinigen Eltern in Bezug auf eine Impfung des gemeinsamen Kindes vorzugehen ist (vgl. Beitrag vom 15.7.2020). In der Folge wurde versucht, dieses Urteil zu vollstrecken (vgl. Beitrag vom 30.3.2023).

Schliesslich knickte die zuständige KESB Gelterkinden-Sissach in diesem Fall vor der renitenten Kindesmutter und dem Mob ihrer Impfgegnerfreunde ein und verzichtete auf die Vollstreckung der Impfung (siehe 20 Minuten-Artikel vom 22.9.2023 und vom 21.12.2023). Mehr über „Das Versagen des Rechtsstaats im Kindesrecht“ Lesen

Rückweisung und Verjährung

Das Obergericht hob mit Beschluss vom 24. Januar 2024 (SB230113) aus formellen Gründen (namentlich mangelhafte Anklageschrift) zwei Urteile des Bezirksgerichts Zürich vom 11. April 2022 und vom 22. August 2022 (DG200213) in Sachen Pierin Vincenz und Co. auf.

Da fragt sich zunächst, wie es mit der Verfolgungsverjährung steht. Gemäss Art. 97 Abs. 3 StGB tritt die Verjährung nicht mehr ein, wenn vor Ablauf der Verjährungsfrist ein erstinstanzliches Urteil ergangen ist. Wenn nun aber das erstinstanzliche Urteil vollumfänglich aufgehoben worden ist, liegt demzufolge noch noch kein erstinstanzliches Urteil vor, weshalb der Eintritt der Verjährung eigentlich noch möglich sein sollte. Diese Betrachtungsweise würde im vorliegenden Fall bedeuten, dass das Verfahren wegen Verjährung wohl gänzlich eingestellt werden müssten. Das Obergericht erläuterte jedoch, dass diese Auffassung nicht stimmt und die Verjährung gestoppt ist: Mehr über „Rückweisung und Verjährung“ Lesen

Muss ein Sohn Kontakt zu seinem Vergewaltiger-Vater haben?

Das Bundesgericht ging in seinem Urteil vom 21. November 2023 (5A_375/2023) von Folgendem aus:

A. C.________, geboren 2012, ist der Sohn der nicht miteinander verheirateten und getrennt lebenden Eltern A.________ und B.________. Die Mutter hat die alleinige elterliche Sorge über C.________ inne. Der Vater wurde wegen schwerer Sexualdelikte, unter anderem wegen Vergewaltigung von C.________s Halbschwester D.________ (geb. 2001), verurteilt und befindet sich seit 2015 im Strafvollzug, zur Zeit in der Justizvollzugsanstalt V.________ (AG). Mehr über „Muss ein Sohn Kontakt zu seinem Vergewaltiger-Vater haben?“ Lesen

Gemeinsame Obhut und alleinige elterliche Sorge

Das Bundesgericht hat in seinem Urteil vom 20. Dezember 2023 (5A_33/2023) entschieden, dass bei Bestehen der gemeinsamen bzw. alternierenden Obhut einem Elternteil nicht die alleinige elterliche Sorge zugewiesen werden darf. Die alternierende Obhut setzt die gemeinsame elterliche Sorge voraus. Allerdings wird die Vorinstanz zu prüfen haben, ob die gemeinsame elterliche Sorge in Teilbereichen einzuschränken ist. Mehr über „Gemeinsame Obhut und alleinige elterliche Sorge“ Lesen

Anwaltsentschädigung im Verfahren vor Bundesstrafgericht

Das Bundesstrafgericht stellte im Beschluss vom 7. Dezember 2023 (BB.2023.181) zunächst die Rechtslage dar:

5.2.1 Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdegegnerin der Beschwerdeführerin eine Entschädigung für deren Aufwendungen im Beschwerdeverfahren auszurichten (Art. 436 Abs. 1 i.V.m. Art. 434 Abs. 1 StPO; Urteil des Bundesgerichts 6B_1284/2015 vom 2. März 2016 E. 2.4). Gemäss Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 10 des Reglements des Bundesstrafgerichts vom 31. August 2010 über die Kosten, Gebühren und Entschädigungen in Bundesstrafverfahren (BStKR; SR 173.713.162) bemisst sich das Honorar der Anwältin oder des Anwalts nach deren bzw. dessen notwendigen und ausgewiesenen Zeitaufwand. Der Stundenansatz beträgt mindestens Fr. 200.– und höchstens Fr. 300.– (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 BStKR). Das Bundesstrafgericht erachtet für die Bearbeitung durchschnittlicher Verfahren, d.h. für Verfahren ohne hohe Komplexität und ohne Mehrsprachigkeit, einen Stundenansatz von Fr. 230.– als angemessen (statt vieler: Beschlüsse des Bundesstrafgerichts BB.2017.218 vom 15. Februar 2018 E. 2.3.5; BB.2012.8 vom 2. März 2012 E. 4.2). Wird eine detaillierte Honorarnote eingereicht und steht der geltend gemachte Zeitaufwand zum Umfang und zur Schwierigkeit des Falles in einem offensichtlichen Missverhältnis, dann darf nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung in Strafsachen die Entschädigung pauschal bemessen werden (Urteil des Bundesgerichts 6B_224/2013 vom 27. Januar 2014 E. 2.5 f.) Mehr über „Anwaltsentschädigung im Verfahren vor Bundesstrafgericht“ Lesen

Betrunken und uneinsichtig

Das Bundesgericht ging in seinem Urteil vom 25.Oktober 2023 (7B_273/2022) von Folgendem aus:

A. Am 29. Juni 2019 kollidierte A.________ als Lenker eines Mercedes-Benz um ca. 5.20 Uhr innerorts auf der B.________-Strasse in Pfäffikon/SZ mit einem Inselpfosten. Die um 6.32 Uhr durchgeführte Atemalkoholmessung ergab einen Wert von 0.52 mg/l. Mehr über „Betrunken und uneinsichtig“ Lesen

Zustellung von Entscheiden per A-Post Plus

Das Bundesgericht ging in seinem Urteil vom 7. November 2023 (2C_988/2022) von Folgendem aus:

A. Mit Entscheid vom 2. August 2022 wies der Rechtsdienst des Amtes für Migration und Integration des Kantons Aargau eine Einsprache von A.B.________ (geb. 1988) gegen eine Verfügung betreffend Widerruf der Niederlassungsbewilligung und Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung (Rückstufung) ab. Dieser Entscheid wurde gemäss Sendungsverfolgung der Schweizerischen Post am 3. August 2022 zugestellt.

B. Gegen den Einspracheentscheid vom 2. August 2022 erhob A.B.________, vertreten durch seinen Rechtsanwalt, mit Eingabe vom 5. September 2022 (Postaufgabe) Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Aargau. Mehr über „Zustellung von Entscheiden per A-Post Plus“ Lesen

Hälftige Teilung von Ansprüchen aus beruflicher Vorsorge bei der Scheidung?

Es gilt der Grundsatz, dass bei der Scheidung Vorsorgeansprüche hälftig geteilt werden (früher Art. 122 ZGB):

Art. 123 Abs. 1 ZGB
1 Die erworbenen Austrittsleistungen samt Freizügigkeitsguthaben und Vorbezügen für Wohneigentum werden hälftig geteilt.
(…)

Per 1. Januar 2017 trat jedoch ein neuer Artikel in Kraft, der diesen Grundsatz relativiert: Mehr über „Hälftige Teilung von Ansprüchen aus beruflicher Vorsorge bei der Scheidung?“ Lesen